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Dr. Christina Berking

„Die Kunst von Dieter Roth ist bei uns allgegenwärtig und zeigt, wie fruchtbar die Zusammenarbeit mit einem Künstler sein kann.“

September 2013

Dr. Christina Berking

Rechtsanwältin bei Buse Heberer Fromm, Hamburg

Kunst im Unternehmen – wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?

Kunst und Unternehmen sind zwei Pole, die sich gegenseitig bereichern. Der Künstler versteht sich als unabhängiger Geist und gesteht sich daher ungern ein, dass er auf das Geldverdienen angewiesen ist. Das Unternehmen ist auf wirtschaftliches Handeln ausgerichtet und hat zugleich das Bedürfnis, über die reine Unternehmenstätigkeit hinaus etwas Sinnvolles zu tun. Durch ihr Zusammenwirken ergänzen sie sich. Das Unternehmen bietet dem Künstler die Möglichkeit, finanziell abgesichert seiner Kreativität freien Lauf zu lassen, und der Künstler wirkt in gewisser Weise sinnstiftend für das Unternehmen.

Wie kam Ihr Unternehmen zur Kunst?

Einer der Gründungspartner unserer Kanzlei war eng mit Dieter Roth befreundet. Schon früh war er sein Förderer und richtete ihm im Haus der Kanzlei eine Künstlerwohnung ein. In den über 25 Jahren ihrer Freundschaft entstand so die größte Dieter Roth Sammlung weltweit. Die Sammlung ist heute so groß, dass sie in ein externes Museum, die Dieter Roth Foundation, eingebracht worden ist. In unserer Kanzlei ist ein repräsentativer Ausschnitt aus dem Werk zu sehen, wobei ein stetiger Austausch zwischen dem Museum und uns stattfindet. 

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Sie sind Teilnehmer bei „add art“ – was macht einen Kunstbesuch am Veranstaltungswochenende bei Ihnen interessant?

Dieter Roth ist einer der maßgebenden Künstler aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er erfährt daher große internationale Anerkennung. In diesem Jahr laufen Einzelausstellungen in New York, London, Madrid und Mailand, und zwar in renommierten Institutionen wie dem MoMA. Dennoch ist er nur einem kleinen Teil des Publikums bekannt. Der Besuch bietet die Möglichkeit, Werke aus allen Phasen seines künstlerischen Schaffens kennenzulernen.
Besonders spannend dürfte die persönliche Verbindung Dieter Roths zur Kanzlei sein. Bis 2003 stand auf unserem Gelände das schon zum Mythos gewordene Schimmelmuseum. Im Rahmen der Führung wird der Nachfolgebau besichtigt. Der wird zwar heute von Anwälten genutzt, zeigt aber noch verschiedene Werke aus der damaligen Zeit.

Welchen Stellenwert hat die Kunst von Dieter Roth in Ihrem Unternehmen?

Die Kunst von Dieter Roth ist bei uns allgegenwärtig. Seit Jahrzehnten hängt bei uns ausschließlich Dieter Roth. Das prägt natürlich das Bild der Kanzlei. Auch wenn wir uns nicht täglich mit der Kunst von Dieter Roth auseinandersetzen, ist sie nicht wegzudenken. Sie ist Teil unserer Geschichte, und sie zeigt, wie fruchtbar langjährige Zusammenarbeit sein kann.

Wie war das damals, als Dieter Roth in der Kanzlei ein- und ausging?

Als Dieter Roth noch lebte, war die Auseinandersetzung mit seinem Werk noch viel unmittelbarer. Dadurch, dass er im selben Haus wohnte, streifte er manchmal durch die Kanzlei und bestückte seine Kunstwerke neu. Dabei goss er einmal auch Tomatensaft in ein Schlauchbild mit Trichter. Der Geruch war nach kurzer Zeit bestialisch und für Mandanten und Mitarbeiter nicht auszuhalten. Heute ist die Kunst schon mehrere Jahrzehnte alt, so dass nichts mehr zu befürchten ist.

Wie reagieren die Mitarbeiter auf die Kunst in Ihrem Unternehmen?

Wenn bei uns ein neuer Mitarbeiter anfängt, darf er sich aus dem Sammlungsbestand aussuchen, welche Kunst er in seinem Zimmer haben möchte. Schon dieses erste Zusammentreffen mit dem Werk von Dieter Roth löst Diskussionen aus. Die Kunst von Dieter Roth ist nicht gefällig, sondern anspruchsvoll. Insbesondere seine Schimmelkunst ist nicht leicht zugänglich. Das Werk weist aber eine solche Bandbreite auf, dass letztlich jeder für sich das Richtige findet. 

Beeinflusst Ihr Kunstengagement Ihre Kundenbeziehungen in irgendeiner Form?

Im Alltag ist die Kunst eher selten ein Gesprächsthema. Wir haben aber schon häufiger Veranstaltungen in den Räumen des Dieter Roth Museums stattfinden lassen, beispielsweise Neujahrsempfänge oder im letzten Jahr eine Mandantenveranstaltung unseres Art Desk. Das haben die Mandanten immer als sehr anregend und bereichernd empfunden. Durch die Kunstsammlung unterscheiden wir uns von anderen Kanzleien. Gerade bei unseren kunstengagierten Mandanten wird sie mit Begeisterung zu Kenntnis genommen.

Ihre Kanzlei ist bei verschiedenen Projekten sozial engagiert. Wie ist die Herangehensweise, gibt es bestimmte Richtlinien?

Wir unterstützen die unterschiedlichsten Projekte. Jedes Projekt ist anders und muss individuell entwickelt werden. Wenn sie auf lokaler Ebene angesiedelt sind, ist der jeweilige Standort zuständig. Wir in Hamburg haben vor einigen Jahren mit Unterstützung der Bürgerstiftung Hamburg das Projekt einer freien Rechtsberatung mitbegründet. Im Pastorat der St. Pauli Kirche beraten Anwälte unter dem Titel „Guter Rat vor Ort“ die Bürger des Stadtteils in Alltagsfragen. Das fand solchen Anklang, dass inzwischen im Stadtteil Hamm ein zweiter Beratungsstandort nach dem gleichen Muster eröffnet hat. Auf diese Weise übernehmen wir soziale Verantwortung.

Was können Unternehmen von Künstlern lernen? Und was können Künstler von Unternehmen lernen?

Der Umgang erfordert auf beiden Seiten geistige Beweglichkeit und Respekt für die Andersartigkeit. Ich erlebe es oft, dass Künstler sich voller Enthusiasmus in ihre Projekte stürzen ohne Blick auf die möglichen rechtlichen Folgen. Das ist uns Anwälten natürlich fremd. Es ist unser Beruf, Probleme vorherzusehen und im Vorhinein zu beseitigen. Andererseits lässt Kunst sich nicht in ein Schema pressen. Wir müssen daher oft flexibel reagieren und eingefahrene Wege verlassen. Ziel des gegenseitigen Zusammenwirkens muss es sein, der künstlerischen Kreativität einen Rahmen zu geben, ohne sie einzuengen. Wenn man das erreicht, hat man das Beste aus beiden Welten miteinander verbunden.

Welcher Künstler oder welches Kunstwerk inspiriert Sie persönlich ganz besonders?

Ich kann mich für spätgotische Schnitzaltäre begeistern. Hier in Norddeutschland sticht der Bordesholmer Altar von Hans Brüggemann im Schleswiger Dom hervor. Die Menschen damals konnten nicht lesen, so dass ihnen die Bibelinhalte bildlich vermittelt werden mussten. Das setzte zum einen voraus, dass die Figuren durch die immer gleiche Darstellung wiederzuerkennen waren. Zum anderen mussten auch psychologische und zwischenmenschliche Vorgänge anschaulich dargestellt werden. Mich interessiert besonders die Interpretation dieser Szenen. Sie vermittelt viel von dem damaligen Zeitgeist und beleuchtet so die Tradition, in der wir heute stehen. Kunst und Kultur entwickeln sich nicht im geschichtsfreien Raum sondern bauen auf dem Dagewesenen auf.

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