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Dr. Heinrich Schulte

„Die Seefahrt ist für sich eine Kulturleistung und davon sprechen auch die Bilder unserer Sammlung.“

September 2013

Dr. Heinrich Schulte

Chairman of the Advisory Board der Reederei Bernhard Schulte, Hamburg

Kunst im Unternehmen – wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?
Als Familienunternehmen achten wir auf nachhaltige Werte und langfristig tragfähige Entscheidungen. Auch die Kunst bei uns im Haus spiegelt diese Einstellung wider. Sie hat keinen rein dekorativen Charakter, sondern verweist thematisch auf den Sinn und Zweck des Unternehmens, die Schifffahrt.

Welchen Stellenwert hat Kunst in Ihrem Unternehmen?

Es ist eine Sammlung, in der sich meine private Begeisterung und die der Familie für die Marinemalerei des 17. bis 19. Jahrhunderts widerspiegelt. Die Seefahrt gibt es seit der Evolution der Menschheit. Sie ist in der Überwindung und Meisterung der Naturgewalten von Meer und Sturm und der Erschließung der Handelswege eine Kulturleistung und davon sprechen auch die Bilder.

Wie kam die Kunst erstmals in Ihr Unternehmen?

Das erste Bild hat 1935 mein Vater erworben, eine vom deutschen Impressionismus beeinflusste ostfriesische Kanallandschaft. Das passte, da unser Unternehmen ja in Papenburg seinen Ursprung hat. Ich habe dann im Laufe der Jahre einiges hinzugekauft, vor allem im Bereich der dänischen und englischen Marinemalerei des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, der Blütezeit der Gattung.

Wie gehen Sie heute beim Neuerwerb von Kunst vor?

Seit fünf Jahren kümmert sich meine Tochter Esther als Kunsthistorikerin um die Strukturierung und Ausrichtung der Sammlung und schlägt Ankäufe vor, über die dann in gemeinsamer Abstimmung entschieden wird. Momentan sind wir allerdings wegen der anhaltenden Schifffahrtskrise zurückhaltend mit Neuerwerbungen.

Gibt es weitere künstlerische Schwerpunkte neben der Marinemalerei?

Im Laufe der Jahre haben wir auch eine kleine Sammlung von Modellschiffen aufgebaut, denn für jeden abgelieferten Schiffsneubau erhält man als auftraggebende Reederei ein maßstabgerechtes Modell. Vor allem die alten Modelle sind in der Präzision ihrer Ausführung bei den Deckaufbauten, der Takelage etc. wahre kleine Kunstwerke des Modellbaus.
Zur besseren Bindung unserer Seeleute haben wir zudem seit kurzem begonnen, die Neubauten mit fröhlichen bunten Ölbildern auszustatten, die häufig in China entstanden sind. Zusätzlich beschicken wir die Flotte sukzessive mit Prints nach Original-Ölbildern des Hamburger Künstlers Johannes Duwe, die Hafenszenen rund um unseren Hauptsitz am Vorsetzen zeigen und der Identifikation mit der Hamburger Mutterfirma dienen.

Wie reagieren die Mitarbeiter auf die Kunst in Ihrem Hause?

Die Mitarbeiter sind mit der Kunst vertraut, sie registrieren genau, wenn etwas umgehängt wird oder neu hinzukommt. Als wir Anfang 2011 in unser neu errichtetes Bürohaus am Vorsetzen zogen, haben einige Mitarbeiter sogar darauf „bestanden“, dass die vorher in ihrer Umgebung befindlichen Bilder wieder bei ihnen aufgehängt werden – so sehr identifizierten sie sich inzwischen mit ihnen. Sicherlich vermitteln die Gemälde den Mitarbeitern das Gefühl einer gewissen Wertschätzung und Kontinuität.

Beeinflusst Ihr Kunstengagement Ihre Kundenbeziehungen in irgendeiner Form?

Auch unsere Kunden reagieren durchweg positiv auf die Gemäldesammlung. Besonders die Asiaten sind beeindruckt. Für sie bilden wohl die lange Geschichte des Familienunternehmens über bald 130 Jahre, die konservative Unternehmenspolitik und die traditionellen Inhalte der Bilder eine Union, die insgesamt von Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit auch im Wirtschaftlichen spricht.

Was braucht es, um das Engagement für Kunst und Kultur nachhaltig in einem Unternehmen zu verankern: strategisch festgelegte Richtlinien oder eher einzelne Führungspersonen, die sich mit Leidenschaft der Kunst und Kultur verschrieben haben?

Sicherlich von beidem etwas. Bei uns ergibt sich die Wertschätzung für Kunst zum einen aus der Familiengeschichte, da sich meine Familie seit zwei Generationen gerne mit Kunst und Kultur beschäftigt, und zum anderen aus einer Unternehmensphilosophie, zu der auch die Pflege von Kulturgut und das maßvolle Engagement für die Kunst gehört. Sicherlich ist die Sammlung auch deshalb auf rund 150 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Grafiken angewachsen, weil ich mich als Unternehmer persönlich mit Leidenschaft für die Marinemalerei als Sammelgebiet eingesetzt habe.

Welcher Künstler oder welches Kunstwerk inspiriert Sie persönlich ganz besonders?

Mich fasziniert Andreas Achenbachs „Der Untergang der Präsident“ von 1842 im Kunstmuseum Düsseldorf. Das Bild stellt die Havarie des damals als modernster Passagierdampfer der Welt geltenden „Präsident“ dar, bei der 136 Menschen ihr Leben verloren – eine frühe Titanic. Gewaltig türmen sich die Eisberge rings um das aus dem stürmischen Wasser ragende Heck, der Bug ist bereits abgerissen, der Vordermast versinkt im Moment des Abbrechens in der Gischt, die übriggebliebenen, winzigen Passagiere klammern sich verzweifelt an den hinteren Deckaufbauten fest. Achenbach zeigt, verwurzelt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, mit seinem Schiffbruchmotiv eindrucksvoll die Urgewalt des Meeres und die Gefährdung der zur See Fahrenden, die bis in unsere Zeit anhält, weil auch modernste Technik das Risiko nicht beseitigen, sondern nur einschränken kann.

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