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Bettina Olf

„Kunst reflektiert die Zeit und ihre Einflüsse. Gute Kommunikation tut das auch.“

Oktober 2019

Bettina Olf

Chief Creative Officer bei Geometry

Kunst im Unternehmen – wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?

Hervorragend! Gerade im Kommunikationsbereich setzt man sich dauernd und schon von Berufs wegen mit Kultur und Bildern auseinander. Das ist sehr inspirierend und für jeden Kreativen essentiell.

Welche Berührungspunkte gibt oder gab es zwischen Ihrem Unternehmen und Kunst und Kultur?

Wenn wir uns als Agentur mit Kommunikation beschäftigen tun wir das auf vielen Ebenen – da gehören Berührungspunkte mit Kunst und Kultur eng zu unserem Beruf. Die Auseinandersetzung erfolgt ganz automatisch, wenn man sich über die Positionierung einer Marke, über eine neue Kampagne oder ein Retail-Erlebnis Gedanken macht.

Die Rolle von Kunst hat sich in den letzten Jahren rasant gewandelt: Kunst wird zum Transformator und öffnet sich für alle. Innovation und Kunst nähern sich an. Der Kunstbegriff erweitert sich in andere Disziplinen. Da passiert gerade sehr viel.

Woran denken Sie konkret?

Viele Galerien und Museen konzeptionieren ihre Ausstellungen immersiver und für ein breiteres Publikum. Ein Beispiel: Die „Heavenly Bodies“ Fashion-Ausstellung im Metropolitan Art Museum gilt momentan mit mehr als 1,6 Millionen Besuchern innerhalb von 5 Monaten als die populärste Show aller Zeiten dort. Die Ausstellung brachte Skulpturen und sakrale Objekte zusammen mit Mode, die mit religiösen Motiven spielt, wie zum Beispiel bei Dior, Versace und Balenciaga, alles untermalt von Soundtracks, die mit dem Thema spielten. Die Art der Präsentation – bis hin zum Museumsshop, der limitierte Editionen von Schmuck, Seidentüchern und Hosen anbot – war „Experience“ ausgeführt auf hohem Niveau. Ein Paradigmenwechsel für das Costume Institute des MET und eine neue Messlatte für Besucherzahlen. So eine Ausstellung wird dann auch bei uns in der Agentur diskutiert, denn Experience-Design ist ein Teil unseres Leistungsangebots.

Gibt es bestimmte Erwartungen, die Sie mit der temporären Ausstellung anlässlich von add art verknüpfen?

Nein. Ohne ein Zuviel an Erwartungen lebt man immer besser.

Kunst wird gerne zugeschrieben, dass sie sich positiv auf Kultur und Kreativität im Unternehmen auswirken könne. Ist dem wirklich so aus Ihrer Sicht?

Die Auseinandersetzung mit Kunst regt das Denken an, zeigt neue Perspektiven, schafft neue Impulse. Das ist es, was wir an Kunst schätzen. Und genau das wollen wir auch bei Geometry bewirken, da uns unsere Kultur sehr am Herzen liegt.

Zudem werden mit zunehmender Digitalisierung, dem Shift von Offline zu Online, diese direkten, physischen Erfahrungen auch immer wichtiger für Menschen. Die Art wie sich ein Raum, ein Material anfühlt, sinnliche Erlebnisse werden genauso wichtig, wie räumliche Erfahrungen, die virtuell nur bei uns im Kopf stattfinden.

Würde sich dauerhaft präsente Kunst auf Ihre Mitarbeiter auswirken?

Das kann man so nicht sagen. Kunst ist ja immer etwas sehr Individuelles. Was den einen anspricht und berührt, lässt den Nächsten völlig kalt. Aber ich glaube, dass unsere Mitarbeiter sich generell gerne mit neuen Impulsen auseinandersetzen und sich für andere Blickwinkel interessieren. Auch das ist Teil unserer Unternehmenskultur.

Die Berührungspunkte von Kunst und kreativer Werbung sind durchaus vorhanden. Kann Werbung Kunst sein? Wo liegt die Grenze?

Grenzen ziehe ich da nicht. Es gibt Dinge, die eine Individuelle Relevanz haben und andere, die eher eine gesellschaftliche besitzen. Andy Warhols Factory war ein Blueprint interessanter Zusammenarbeit von Künstlern, Designern, Handwerkern und visionären Denkern. Die Talente, die dort zusammengekommen sind, haben ganz vielfältige Medien benutzt. Ähnliches passiert im Moment erneut, da Partizipation und Interaktion nicht nur in der Kunst, sondern auch in unserem Wertesystem nach oben rücken. Das kann Menschen verändern und Grenzen auflösen. Das finde ich spannend. Die Verschiebung von Grenzen ist ja auch eines der grundlegenden Themen von Kunst. Dazu kommt: Ohne Unterstützung von Markenherstellern scheint eine Existenz als Künstler für viele nicht mehr möglich zu sein.

Sollte es mehr künstlerische Einflüsse in der Werbung geben – etwa indem mehr Künstler bei Kampagnen mitarbeiten?

Die Zusammenarbeit beider Disziplinen hat eine lange Tradition. Kunst reflektiert die Zeit und die Einflüsse, mit denen wir leben. Gute Kommunikation tut das auch. Mit dem Einfluss von Social Media und Content, der von Verbrauchern erstellt wird, gibt es klassische „Werbung“ immer weniger. Menschen haben zunehmend weniger Vertrauen in „Werbung“, aber auch in Politik, Business und Finanzen. Zu Kultur und Kunst fällt es wiederum leichter, Vertrauen aufzubauen, da es oft eine individuelle, persönliche und geradere Form von Beziehung ist. Man kann Aufrichtigkeit fühlen.

Wie bewerten Sie es, dass immer mehr Unternehmen Künstler für ihre Produktgestaltung engagieren?

Wenn es eine wirkliche Auseinandersetzung zwischen Künstler und Marke gibt, finde ich das gut. Es gibt großartige Beispiele dafür, wo von der Konzeption bis zur Ausführung eine wirkliche Auseinandersetzung und gegenseitige Befruchtung stattgefunden hat. Findet das nicht statt, wird es schnell zu einem seelenlosen „Take the money and run“ Projekt.

Wie gelingt es Künstlern und Kulturinstitutionen heute, überhaupt Gehör zu finden?

Das digitale Zeitalter birgt große Chancen: Wir kommunizieren mehr über Bilder als je zuvor. Social Media hat eine fundamentale Neubestimmung dessen herbeigeführt was „Öffentlichkeit“ heißt. Alle Kulturinstitutionen sind heute auch kleine Medienunternehmen, die ihre Inhalte selber kontextualisieren können und sollten. Aufmerksamkeit, also Medienöffentlichkeit, wird daher heute bei der Planung einer Ausstellung gleich mitgedacht.

Was können Unternehmen von Künstlern lernen? Und was können Künstler von Unternehmen lernen?

Unternehmen können von Künstlern Gedankenfreiheit lernen: Kunst kennt keine Kompromisse. Und: Das Vertrauen in den eigenen Instinkt. Was Künstler von Unternehmen lernen können? Im besten Fall Zuhören. Darauf sollte man im Umgang miteinander immer achten.

Gibt es bei Ihnen auch persönlich Verbindungen zur Kunst?

Ich habe an einer Kunsthochschule studiert, da gibt es viele Berührungspunkte. Aber auch so gehe ich gerne und oft in Ausstellungen und bin Fördermitglied im Kunstverein. Ich fahre schon seit Jahren Fahrrad statt Auto und investiere das gesparte Geld regelmäßig in Kunst oder andere Dinge, die mich inspirieren. Dieses Jahr in ein „Schalentier“, ein Lichtobjekt von Konrad Friedel aus Österreich. Entdeckt habe ich es bei Wohnkultur 66, einer Galerie für Möbel. Für mich ein Beispiel für einen weiteren Ort, der Grenzen verschiebt.

Welcher Künstler oder welches Kunstwerk inspiriert Sie persönlich ganz besonders?

Es gibt viele Künstler, die mich inspirieren. Momentan verfolge ich persönlich mehr die Arbeit einzelner Galerien mit ihren Künstlern. Welche dort ausgewählt werden und wie die einzelnen Künstler zusammenarbeiten finde ich interessant, da das Thema Collaboration für uns alle so wichtig wird.

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