„Mich fasziniert, wie sehr persönliche Geschichten andere Menschen direkt erreichen können.“
Juni 2025
Antine Yzer
Künstlerin, Preisträgerin des Publikumspreises des add art Award für Nachwuchskunst 2024
Was hat der Preis für Dich bedeutet?
Den Preis zu gewinnen, war eine besondere Bestätigung für mich und meine Arbeit. Wenn ein persönliches Thema so positive Rückmeldungen erhält, merke ich, wie wichtig es ist, den eigenen Mikrokosmos oder die eigene Biografie zu untersuchen – denn oft ergibt sich daraus eine Allgemeingültigkeit, die andere Menschen in ihrer eigenen Realität anspricht. So können wir uns über Kunst miteinander verbinden, was mich sehr freut. Der Preis hat mir auch gezeigt, dass Fotografie grundsätzlich das Potenzial hat, ein Publikum zu überzeugen und als eigenständige Kunstform zu bestehen.
Wofür hast Du das Förderpreisgeld eingesetzt?
Ich habe das Geld direkt in mein nächstes Projekt investiert: die fotografische Begleitung straffällig gewordener Jugendlicher in einem Trainingscamp in Hessen. Es ist ein aufwendiges Projekt, bei dem ich regelmäßig mehrere Tage am Stück vor Ort bin. Das Preisgeld war eine große Erleichterung für die finanziellen Aspekte dieser Arbeit und hat mir ermöglicht, mich voll auf den Prozess zu konzentrieren.
Woher beziehst Du im Allgemeinen Deine Inspiration?
Ich arbeite viel mit persönlichen Themen, setze sie aber immer in einen gesellschaftlichen Kontext. Starke Emotionen sind oft ein Ausgangspunkt für die fotografische Arbeit. Wenn mich ein Thema emotional berührt, kann ich diese Energie in besondere Bilder umsetzen. Auch Themen außerhalb meines eigenen Kosmos können mich stark bewegen und so zu einer fotografischen Arbeit inspirieren. Mich fasziniert, wie sehr persönliche Geschichten andere Menschen direkt erreichen können.
Bist Du experimentierfreudig?
In meiner aktuellen Arbeit bin ich auf jeden Fall experimentierfreudiger geworden. Grundsätzlich ist die analoge Arbeitsweise selbst schon ein Experiment: Da ich die Bilder häufig erst Tage später sehe, muss ich mich auf den Prozess einlassen und darauf vertrauen, dass die Ergebnisse so werden, wie ich sie mir vorstelle.
Wie gestaltet sich Dein Weg zum Gelingen einer Fotografie oder einer Serie? Spielt der Zufall eine Rolle?
Der Zufall spielt eine große Rolle, besonders bei analoger Fotografie. Manchmal muss man loslassen und einfach darauf vertrauen, im richtigen Moment abgedrückt zu haben – der Zufall trägt entscheidend zum Bild bei.
Mit welchem Gerät fotografierst Du und nutzt Du KI?
Ich fotografiere analog mit einer Mamiya 6 auf Kodak-Film und gelegentlich digital mit einer Fujifilm-Kamera. Die Haptik der Kamera und der Prozess des Scannens und Druckens sind mir sehr wichtig. KI nutze ich aktuell nicht; sie würde den Zauber meiner Bilder stören. Ich finde KI als Medium spannend, würde sie aber nur einsetzen, wenn sie integraler Bestandteil des Konzepts ist, nicht nur zur Bildproduktion.
Wie geht es Dir, wenn eine Serie abgeschlossen ist?
Wenn eine Serie wirklich abgeschlossen ist, geht es mir nicht so gut. Die Arbeit erzeugt eine Energie, die mich antreibt – ist sie vorbei, entsteht ein kleines Loch, das erst wieder ausgefüllt werden muss.
Woran arbeitest Du zurzeit?
Zurzeit arbeite ich an einer Serie über Jugendliche, die in einem geschlossenen Trainingscamp in Hessen leben. Ich begleite sie über längere Aufenthalte hinweg, dokumentiere ihre täglichen Abläufe, die Konflikte untereinander, die ständige Aushandlung von Respekt und die seltenen Momente von Nähe und Vertrauen. Das Projekt ist noch in der Entstehungsphase. Ein Teil der Serie wird im März in der Ostkreuzschule für Fotografie ausgestellt. Es beschäftigt mich sehr, wie sich persönliche Erfahrungen, Machtstrukturen und gesellschaftliche Bedingungen auf die jungen Menschen auswirken und wie Fotografie helfen kann, diese Geschichten sichtbar zu machen.
Von welchem Vorhaben träumst Du? Was würdest Du verwirklichen, wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden?
Wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden, würde ich meine ganze Energie in die Fotografie stecken – Themen finden, die es wert sind, erzählt zu werden, und sie so öffentlich zugänglich machen, dass andere Menschen sie erfahren können. Gleichzeitig wäre ich schon sehr glücklich, wenn ich mit meiner Kunst meinen Lebensunterhalt bestreiten könnte und genug Ressourcen hätte, um Zeit und Geld sinnvoll in meine Projekte zu investieren.
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