„Das größte Problem an der KI ist der Mensch.“
Dezember 2025
Kann KI Kunst?
6 Erkenntnisse aus einer Talk-Runde zum Thema Kunst & KI am 19.11.2025
Künstliche Intelligenz schreibt, komponiert, malt – scheinbar selbstständig – und stellt die alte Frage neu: Was ist eigentlich Kunst? Vor allem: Welche Rolle spielt der Künstler oder die Künstlerin dabei? Die Verbindung von Kunst und KI sorgt einerseits für Faszination, andererseits für Skepsis. Ist das so Erschaffene also nur künstlich – oder auch künstlerisch?
Unter dem Titel „Kann Kunst KI?“ fand am 19.11.2025 eine Talk-Runde im Rahmen von add art 2025 bei der Designagentur Giraffentoast Design statt. Dort zeigten Künstlerinnen und Künstler zudem während add art Werke, die mithilfe von KI generiert wurden. Die Ausstellung fand in Kooperation mit dem The AI Art Magazine statt.
Am Talk nahmen teil:
· Sabine von Bassewitz, Fotografin und AI-Künstlerin
· Mike Brauner, Polardots studio, Herausgeber The AI Art Magazine
· Thomas Holthoff, Galerist, Galerie Holthoff
· Alexandra Lier, Fotografin, Regisseurin und AI-Künstlerin
Die folgenden Erkenntnisse sowie die Umfrageergebnisse wurden zusammengestellt von Giraffentoast Design.
Was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus der Talk-Runde zum Thema „Kann Kunst KI“?
Erkenntnis #1
KI-Kunst entsteht nicht mit nur einem Prompt.
Simone und Mike Brauner beweisen mit ihrem kunstvoll gestalteten The AI Art Magazine, dass KI-Kunst nicht nur digital fasziniert, sondern auch wert ist auf Papier gedruckt zu werden.
Um diese zu kreieren braucht es eine klare menschliche Vision und Konzept hinter dem Bild. Die behandelten Themen sind und bleiben menschlich: ob Trauer, Verlust, Würde oder das Sichtbarmachen des Unsichtbaren geht es immer um die Reflexion menschlicher Gefühle und Probleme.
Die Entstehung von KI-Kunst und Design ist ein intensiver, iterativer Prozess – ein Zusammenspiel von Vorstellungskraft, gestalterischem Feingefühl und den Möglichkeiten von Bildgenerierungstools oder selbst entwickelten Anwendungen. Die KI ist dabei nicht der Schöpfer, sondern das Instrument einer kreativen, menschlichen Regie.
Erkenntnis #2
Die KI scheitert oft an der Vielschichtigkeit unserer Realität.
Sabine von Bassewitz, Fotografin und AI-Künstlerin, erforscht in ihrer Arbeit „/village image“ die unterschiedlichen Perspektiven von Erinnerung. In der Serie „Multiple Sclerosis – Ataxia“ macht sie unsichtbare Krankheitsbilder sichtbar. Dabei entstehen Bilder, die die KI teilweise nicht erzeugen kann, nicht erzeugen will – oder sogar zensiert.
Wer entscheidet über diese Grenzen? Und warum lassen sie sich dennoch umgehen, etwa indem man Prompts in anderen Sprachen verwendet? Bilder von Netzstrumpfhosen funktionieren nicht gut auf deutsch – aber besser auf Niederländisch.
Das Ziel der KI ist oft die Darstellung einer vermeintlich perfekten Welt, während sie an der Vielschichtigkeit der unperfekten Realität noch häufig scheitert. Dennoch eröffnen diese Umwege manchmal neue, inspirierende Ergebnisse.
Erkenntnis #3
Das größte Problem an der KI ist der Mensch.
KI-Systeme werden mit menschlichen Daten aus der Vergangenheit trainiert – und tragen damit auch die Ungerechtigkeiten und Vorurteile der realen Welt in sich. Von Frauenfeindlichkeit bis hin zu extremen Ideologien spiegeln die generierten Bilder offen oder subtil ein Wertesystem wider, das von rückwärtsgewandten Machtstrukturen geprägt ist.
Viele kulturelle Perspektiven finden in KI-Systemen kaum statt, weil die zugrunde liegenden Trainingsdaten stark westlich geprägt sind.
Die Aufgabe von KI-KünstlerInnen und DesignerInnen besteht darin, diese Verzerrungen sichtbar zu machen, kritisch zu hinterfragen und so zu einer größeren Diversität und Fairness in KI-Modellen beizutragen.
Erkenntnis #4
Mit Hilfe der KI kannst du dich neu erfinden.
Alexandra Lier zeigt in ihrem Vortrag, wie sie sich mit Hilfe von KI-Bildgenerierung kreativ von den Grenzen der analogen Fotografie gelöst hat. Ihre Fotografien amerikanischer Auto-Subkultur aus der analogen Zeit dienen ihr heute als Trainingsmaterial – und werden durch KI zu neuen, erweiterten Bildwelten transformiert. Echte Erlebnisse verschmelzen mit Technologie, und aus dem Roadtrip wird ein A.I. Roadtrip.
Auf der einen Seite löst die KI bei vielen Kreativen existenzielle Ängste oder moralische Bedenken aus, auf der anderen Seite kann die KI-Technologie auch zu einer Demokratisierung von Kunst und Kreativität führen.
Probiert euch aus – auch wir lernen durch Experiment und Grenzen verschieben.
Erkenntnis #5
Was bleibt ist das Narrativ.
Thomas Holthoff kennt als Galerist den Kunstmarkt und vertritt auch KünstlerInnen, die im Dialog mit KI arbeiten. Für ihn ist klar: Ein starkes Kunstwerk braucht immer eine starke Geschichte – und einen Menschen, der sie erzählt.
Werke ohne Kontext oder Erzählung haben es schwer. Bildergebnisse einer KI, die den nächsten Trend nachahmen oder sich auf das wahrscheinlich „Richtige“ konzentrieren, werden schnell austauschbar und bleiben durchschnittlich.
„Wenn alle Wolken wollen, dann musst du den Mond malen.“
Erkenntnis #6
Es braucht Museen und Institutionen zur Einordnung.
Wenn der Markt vom Mainstream oder Populismus geprägt ist und KI diesen mit weiteren Klischees bedient, braucht es Orte, die Bilder und Informationen kritisch lesbar machen, einordnen und hinterfragen.
Museen und kulturelle Institutionen tragen dabei eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung. Sie bieten Orientierung im Umgang mit neuen Informations- und Bildtechnologien, stärken Medienkompetenz und können Räume schaffen – auch jenseits des Digitalen – in denen Denken, Deuten und Debatte möglich bleiben.
Besucherumfrage während der add art Ausstellung 2025
Giraffentoast Design hat zahlreiche BesucherInnen zu ihrer persönlichen Meinung zu Kunst und KI befragt.
Die Umfrage zeigt ein insgesamt neugieriges, aber ambivalentes Verhältnis zu Kunst und Künstlicher Intelligenz. Die meisten Teilnehmenden sehen KI primär als kreatives Werkzeug, das neue künstlerische Möglichkeiten eröffnet, während gleichzeitig philosophische Fragen und gesellschaftliche Auswirkungen sie stark beschäftigt. Emotional wirksame KI-Kunst wird für viele als möglich betrachtet.
Beim Thema Urheberschaft herrscht große Einigkeit: KI-Werke werden überwiegend der Person zugeschrieben, die sie generiert. Zugleich wünschen sich die meisten eine klare Kennzeichnung von KI-Kunst, sowie eine weltweite Regulierung der KI-Entwicklung.
Trotz einzelner skeptischer Stimmen überwiegen am Ende inspirierte und nachdenkliche Reaktionen:
Die Ausstellung hat viele dazu angeregt, über das Verhältnis von Mensch, Maschine und Kreativität neu nachzudenken.
Die Umfrage im Detail
57 TeilnehmerInnen, Durchschnittsalter 50,7 Jahre
1. Was ist das erste Wort, das dir bei Kunst & KI einfällt?
Viele sagen „kreativ, spannend und interessant“ manche aber „unheimlich“, andere „schließt sich aus!“
2. Was findest du am spannendsten an KI-Kunst?
• neue kreative Möglichkeiten: 38,6 %
• Technische Umsetzung: 8,6 %
• Philosophische Fragen: 24,3 %
• Auswirkungen auf Künstler und Gesellschaft: 28,6 %
3. Kann KI Kunst erschaffen, die mich emotional berührt?
• Ja, definitiv: 33,9 %
• Vielleicht, wenn sie gut gemacht ist: 35,6 %
• Nur, wenn ein Mensch beteiligt war: 22,0 %
• Nein, KI hat keine Gefühle – also kann sie keine erzeugen: 8,5 %
4. Wem gehört ein von KI erzeugtes Kunstwerk (deine Meinung)?
• Der Person, die es generiert: 79,3 %
• Der KI bzw. dem System: 3,4 %
• Dem Entwickler/Unternehmen der KI: 1,7 %
• Niemandem – es ist frei nutzbar: 15,5 %
5. Wie siehst du KI aus Sicht der Kunstschaffenden?
• Als Werkzeug für Kreativität: 62,3 %
• Als Partner / Co-Künstler: 15,9 %
• Als Konkurrenz: 5,8 %
• Als Gefahr für menschliche Kunst: 15,9 %
6. Sollte KI-generierte Kunst verpflichtend als solche gekennzeichnet sein?
• Ja, unbedingt: 59,6 %
• Nur bei kommerziellen Zwecken: 21,1 %
• Nein, irrelevant: 5,3 %
• Ich weiß es nicht: 14,0 %
7. Würdest du für ein KI-generiertes Kunstwerk Geld bezahlen?
• Ja, wenn es mich anspricht: 59,6%
• Nur wenn ein Mensch aktiv am Prozess beteiligt war: 21,1 %
• Nein, das ist für mich keine echte Kunst: 5,3 %
• Weiß ich nicht: 14,0 %
8. Sollte die Weiterentwicklung von KI weltweit reguliert werden?
• Unbedingt: 72,9 %
• Ich weiß es nicht: 20,3 %
• Ist mir egal: 3,4 %
• Auf gar keinen Fall: 3,4 %
9. Was fühlst du nach dieser Ausstellung über Kunst und KI?
• Begeistert / Inspirierend: 34,4 %
• Nachdenklich: 45,9 %
• Skeptisch: 16,4 %
• Besorgt: 3,3 %
Weitere Beiträge aus unserem Magazin
Oktober 2025
Dr. Malte Jordan
Dr. Malte Jordan, Partner bei Watson Farley & Williams
Oktober 2025
Christian Bosiljanoff
Senior Regional Director, Deutschland, Pembroke
Oktober 2025
Jennifer Schönau
General Manager, AMERON Hamburg Hotel Speicherstadt