„Die Kunst in den Büroräumen ist ein Signal für Offenheit, Aufbruch und Modernität.“
September 2025
Jennie Best
Partnerin bei REIMER Rechtsanwälte
Welche Rolle spielt Kunst in Ihrer Kanzlei – gab es in der Vergangenheit Berührungspunkte?
Bislang spielte Kunst keine allzu große Rolle in unserer Kanzlei. Wir haben bei unserem Einzug vor vielen Jahren einige wenige Bilder angeschafft. Vielmehr ist nicht geschehen. Wir würden das aber gerne ändern.
Sie stellen im Rahmen von add art Werke junger Künstlerinnen und Künstler in Ihren Räumen aus. Was gab den Impuls, gibt es bestimmte Erwartungen, die Sie damit verknüpfen?
Mein Kollege Jannik, der die add art im vergangenen Jahr besuchte, hatte die Idee, dass auch REIMER sich an diesem tollen Projekt beteiligen sollte. Durch die Teilnahme möchten wir den Mitarbeitern und Besuchern unseres Büros die Möglichkeit geben, Kunst in einem alltäglichen Kontext zu erleben. Wir würden uns freuen, wenn die Mitarbeiter sich auf die Kunst einlassen und es so vielleicht zu Gesprächen mit Kollegen kommt, die über den Arbeitsalltag hinausreichen. Dies möchten wir gerne auch aktiv fördern, indem wir die Künstler in unser Büro einladen, um mit den Mitarbeitern über die Arbeiten zu sprechen. Und wer weiß: Vielleicht weckt die Ausstellung bei dem ein oder anderen die Lust, sich verstärkt oder häufiger mit Kunst auseinanderzusetzen. Wir sind sehr gespannt, wie die Ausstellung angenommen werden wird. Unseren Arbeitsalltag wird sie gewiss bereichern.
Welche Wirkung trauen Sie der Nachwuchskunst in Ihrer Kanzlei zu – auf die Mitarbeitenden, aber auch auf Kunden und Gäste in Ihren Räumen?
Die Kunstwerke der von uns ausgewählten Künstler werden sicherlich sehr unterschiedliche Gefühle und Ansichten hervorrufen. Für einige ist es ungewohnte Kunst. Sie wird für frischen Wind in den Büroräumen sorgen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass sie eine aufweckende und anregende Wirkung auf unsere Mitarbeiter hat, die die Stimmung verbessern kann.
Es ist ein Signal für Offenheit, Aufbruch und Modernität. Die Kunstwerke werden interne Diskussionen auslösen und den täglichen Austausch bereichern.
Auch bei Besuchern wird die Kunst für Gesprächsstoff sorgen, was ein angenehmes Abschweifen auf weniger „belastende“ Themen bedeuten kann, die bei unserem Geschäftsfeld der Restrukturierung oft Inhalt der Besprechungen sind.
Zwischen den Bereichen Wirtschaft und Kunst gibt es häufig noch Berührungsängste. Können und sollten sich beide Seiten annähern? Warum?
Auf jeden Fall. Wir sind von der Idee add art auch so angetan, weil hier Bedürfnisse aufeinandertreffen, die durch die Annäherung von Wirtschaft und Kunst erfüllt werden können. Junge Künstler haben möglicherweise Schwierigkeiten, Ausstellungsflächen zu finden und für ein breites Publikum sichtbar zu werden.
Auf der anderen Seite gibt es viele weiße Wände in den Büros.
Unternehmen und Kanzleien haben möglicherweise Hemmungen, in Kunst zu investieren, auch weil die Geschmäcker höchst verschieden sind. Im Rahmen der add art kann Kunst aber temporär ausgestellt werden, so dass die Geschmäcker nicht ganz so entscheidend sind und auch Kunstwerke berücksichtigt werden, die polarisieren könnten, was bei einem Kauf womöglich tendenziell vermieden wird.
Den Kanzleialltag bringt man als Außenstehender nicht unbedingt mit Kreativität in Verbindung. Gibt es aber Momente, in denen Kreativität oder ein „Querdenken“ gefragt ist? Wovon lassen Sie sich dabei leiten bzw. woraus schöpfen Sie in diesen Momenten?
In der Restrukturierung ist Kreativität durchaus gefragt. Vielen Unternehmen kann nur mit sehr individuellen Lösungsansätzen ein Neustart ermöglicht werden. In Verhandlungen ist oft empathisches Geschick gefragt, die Stakeholder eines Unternehmens für das Ziel der Sanierung zu gewinnen. Ich denke, dass es oft hilft, sich in den Blickwinkel der verschiedenen Parteien zu versetzen und die Dinge aus vollkommen unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Dazu regt auch die Kunst an. Oft sieht alles ganz anders aus, wenn ich das Kunstwerk mit Abstand betrachte oder direkt davorstehe. Es verändert sich mit einem anderen Blickwinkel. Auch die Herangehensweise kann einiges verändern. Unser menschliches Auge neigt dazu, Gegenständliches entdecken zu wollen. Der Versuch, diesem Reflex zu widerstehen, ist interessant. Ebenso kann es spannend sein, sich nur auf das Gefühl zu konzentrieren, das ein Kunstwerk auslöst. Erfährt man die Gedanken und Herangehensweisen des Künstlers, verändert sich das Kunstwerk oft nochmals immens.
Genauso ist es bei unserer Arbeit sinnvoll, die Situation gelegentlich mit Abstand zu betrachten und dann auch wieder kleinteilig ins Detail zu gehen. Sich Hintergründe und Visionen berichten zu lassen. Alles bislang Gedachte mal über den Haufen zu werfen und Ideen zuzulassen, die zu unerwarteten Wegen führen können.
Kaufen Sie selbst Kunst? Wie und wo lassen Sie sich für den Kauf von Kunst inspirieren?
Ja, wenn auch in einem relativ bescheidenen Rahmen. Ich besuche gerne Galerien und Messen, wie die Art Cologne oder die paper positions.
Inwieweit nehmen Sie sich persönlich hin und wieder Zeit für Kunst und Kultur?
Ich gehe gerne in Ausstellungen, in Galerien und Museen. Dabei schaue ich mir sowohl alte Meister als auch zeitgenössische Kunst gerne an. Bei zeitgenössischer Kunst bin ich immer wieder fasziniert von der Wirkung, die manches Werk auf den Betrachter hat – durch das Werk ausgelöste Gefühle, denen man sich nicht entziehen kann.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein paar Einträge in die Gästebücher der Galerien dazu führen, dass man recht regelmäßig zu Vernissagen eingeladen wird. Es ist gar nicht so schwierig, Zugang zu bekommen und meist wird man willkommen geheißen, auch, wenn man weder über ein umfassendes Kunstverständnis noch über ein interessantes Budget verfügt.
Welcher Künstler oder welches Kunstwerk inspiriert Sie persönlich ganz besonders?
Menasch Kadishman, Installation „Shalekhet“ oder auch „Gefallenes Laub“ (Jüdisches Museum Berlin). Das Kunstwerk sah ursprünglich vor, dass der Betrachter darauf herumläuft – was besonders verstörend und erschütternd war. Leider ist es mittlerweile nicht mehr gestattet.
Felix Gonzalez-Torres mit seinem Werk „Untiteld (Portrait of Ross in L.A.)“ (Privatsammlung Hoffmann, Berlin). Der Lebensgefährte des Künstlers ist an einer Aidserkrankung verstorben. Herr Gonzales-Torres hat einen Berg Bonbons aufgetürmt, der dem Gewicht seines Lebensgefährten entsprach, als er noch gesund war. Der Besucher wird aufgefordert, sich einen Bonbon zu nehmen und ihn zu lutschen. So wird das Gewicht immer weniger und das Kunstwerk schwindet – es verbleibt schließlich nur noch die Erinnerung an einen süßen Geschmack, die die Besucher mit sich nehmen.
Richard Serra, „The matter of time“ (Guggenheim Museum Bilbao): Durch die Skulpturen bewegt sich der Besucher. Die Gänge verengen und weiten sich, die Wände biegen sich in die eine und wieder andere Richtung, Kurven verzerren Perspektiven und der Besucher verliert teilweise die Orientierung oder gar das Gleichgewicht. Es ist eine körperliche Erfahrung. Der Besucher erlebt, wie stark Perspektive von Standort und Bewegung abhängt.
Minjung Kim, „Red Mountains“ (Galerie Cometer Hamburg): Diese Werke haben, wie ich finde, eine sehr beruhigende Wirkung. Die Weite, die der heller werdende Horizont vermittelt, lässt den Betrachter frei aufatmen. Auch das zarte Papier und die durchscheinende Farbe vermitteln eine angenehme Luftigkeit.
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