„Die Hapag beeindruckte bereits um 1900 mit spektakulärer Kunst am Bau.“
September 2013
Michael Behrendt
Vorstandsvorsitzender der Hapag-Lloyd AG und Vorstandsvorsitzender der Hapag-Lloyd Stiftung, Hamburg
Kunst im Unternehmen – wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?
Kunst schaut man sich ja nicht nur an. Sie inspiriert, regt zum Denken an, erweitert den Horizont. Ich bin davon überzeugt, dass Kunst das Urteilsvermögen schärft – etwas, was für die Denkprozesse in Unternehmen nur von Vorteil sein kann.
Welchen Stellenwert hat Kunst in Ihrem Unternehmen?
Kunst im weitesten Sinne hat in der langen Geschichte unseres Unternehmens von Anfang an eine große Rolle gespielt. Sie gehört zum Leitbild von Hapag-Lloyd. Unsere Reederei hat es immer wieder geschafft, die ihr sehr wichtigen traditionellen Werte mit Fortschritt und Dynamik klug zu kombinieren. Auch das hat durchaus mit Kunst zu tun. Mir gefällt, was ein ganz bedeutender Künstler, nämlich Gustav Mahler, einmal gesagt hat: „Tradition meint nicht die Anbetung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers!“
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Wie kam die Kunst erstmals in Ihr Unternehmen?
Die Chefs unserer Vorgängergesellschaften waren enthusiastische Freunde und Förderer der Kunst. Der Generaldirektor des Norddeutschen Lloyds, Heinrich Wiegand, sammelte japanische Farbholzschnitte, dazu Grafiken von Goya, Toulouse-Lautrec oder Munch. Albert Ballin, der Hapag-Lenker, hatte ein tiefes Verständnis für geistige Kultur. Er gründete bereits 1890 das „Literarische Bureau“, eigentlich die erste PR-Abteilung in einem deutschen Unternehmen. Er beschäftigte namhafte Illustratoren, um Schiffe kunstvoll in Szene zu setzen. Manche Plakate, die entstanden, setzten Maßstäbe – etwa das rote, avantgardistische Bug-Motiv. Übrigens konnte die Hapag um 1900 auch mit spektakulärer Kunst am Bau aufwarten. Krönung des Firmensitzes war ein sieben Meter hoher bronzener Neptun mit Dreizack und Wogenrossen. Es stammte von Ernst Barlach – damals noch ein junger, wenig bekannter Künstler.
Was sind künstlerische Highlights bei Ihnen im Unternehmen?
Die Architektur, die historisch ist und gleichzeitig modern, wenn Sie beispielsweise die Ballinhalle betreten oder unser Betriebsrestaurant. Wir verfügen über imposante Schiffsmodelle wie des Kaisers „Imperator“. Wir haben Gemälde, die Teile unserer Flotte um 1860 eindrucksvoll abbilden. Erwähnen möchte ich eine großflächige Dauerleihgabe des Nationalen Schifffahrtsmuseums in Antwerpen: der Hamburger Hafen im Jahr 1880 des belgischen Malers Robert Mols.
Welche Bedeutung hat Ihr kulturelles Engagement für Ihre Mitarbeiter?
Unser erster Generaldirektor Albert Ballin hatte schon um 1900 für die Belegschaft, als der Begriff Mitarbeitermotivation noch gar nicht existierte, das Deutsche Schauspielhaus gemietet, um den Beschäftigten Schönes zu gönnen. In der Tat hatte und hat das Engagement in und für die Kultur wesentlich auch mit den Angestellten von Hapag-Lloyd zu tun. Es geht darum, ein kommunikationsfreundliches und motivierendes Umfeld zu schaffen. Unsere Mitarbeiter kommen in den Genuss von Konzert- und Theaterabenden, Museumsführungen und einmaligen Probenbesuchen. Dabei sind uns die Förderpartner unserer Stiftung eine wertvolle Stütze. Als uns 2005 der „KulturMerkur“ verliehen wurde, würdigten die Juroren das „überzeugende Konzept“ unserer Förderungsaktivitäten, aber auch die Einbeziehung der Mitarbeiter in das kulturelle Programm.
Welche Projekte fördert die Hapag-Lloyd Stiftung im Bereich Kunst und Kultur, und wie nachhaltig ist die Förderung?
Die Hapag-Lloyd Stiftung versteht sich als Partnerin der Kultur in Hamburg, vor allem von Institutionen und Initiativen, die den Ruf der Stadt maßgeblich prägen. Wir fördern beispielsweise das St. Pauli Theater, das Hamburg-Museum, das Hamburg-Ballett von John Neumeier, die Orchesterakademie der Philharmoniker, das Junge Forum für Musik und Theater an der Musikhochschule oder die Ausbildung von Restauratoren. Daran erkennen Sie, dass uns die Nachwuchs- und Talentförderung besonders am Herzen liegt. Kultur gedeiht im Dialog, und wir setzen auf Kontinuität. Es hat sich bewährt, dass wir mit ausgewählten Partnern seit Jahren zusammenarbeiten. Zwischen ihnen bildete sich inzwischen ein kreatives Netzwerk heraus, in dem so mancher Synergien für seine eigenen Projekte zu nutzen versteht.
Was braucht es, um das Engagement für Kunst und Kultur nachhaltig in einem Unternehmen zu verankern: strategisch festgelegte Richtlinien oder eher einzelne Führungspersonen, die sich mit Leidenschaft der Kunst und Kultur verschrieben haben?
Für eine verantwortungsbewusste unternehmerische Kulturförderung bedarf es schon strategischer Überlegungen, die von Gefühlswallungen unabhängig sind. Mir kommt es darauf an, unser kulturelles Engagement über die Hapag-Lloyd Stiftung nachvollziehbar und nachhaltig, also mit Nutzen für künftige Generationen, zu gestalten. Und ich wünsche mir, dass zwischen Wirtschaft und Kultur ein beständiger Wissenstransfer stattfindet, der durchaus leidenschaftlich sein darf.
Was können Unternehmen von Künstlern lernen? Und was können Künstler von Unternehmen lernen?
Unternehmern täte es sicherlich gut, hin und wieder die eingefahrenen Gleise zu verlassen, Terminzwänge abzulegen und dem freien Geist seinen Lauf zu lassen. Als eine unternehmerische Tugend gilt der Mut zum Risiko, den die Kulturschaffenden wohl stärker denn je gebrauchen können. Nichts bleibt, wie es gerade scheint. Der Wandel in unseren Gesellschaften ist rasant wie nie, aber auch reich an Chancen. Bei alledem sind beide Seiten gemeinsam mit dem Staat aufgerufen, den Kultur-Föderalismus, den einzigartigen Reichtum von Kunst in unserem Lande nach bestem Willen und mit aller Kraft zu bewahren und zu pflegen.
Welcher Künstler oder welches Kunstwerk inspiriert Sie persönlich ganz besonders?
Natürlich könnte ich einzelne Namen nennen wie den Impressionisten Ivo Hauptmann. Allerdings beflügelt mich vor allem auch das Gesamtkunstwerk, das sich mir über unsere Stiftung offenbart. Hier finden sich international renommierte Künstler mit bemerkenswerten Talenten, den Stars von morgen, zusammen. Und das alles wird ergänzt mit Werken etwa aus der Restaurierung und aus Künstlernachlässen, die den großen Namen nicht brauchen. Ich bin schon stolz auf ein vielfältiges und doch schlüssiges Kunst- und Kulturpaket, das die Hapag-Lloyd Stiftung in den vergangenen Jahren geschnürt hat.
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